Iran hat viel versäumt. Seine Handelspartner wissen das. Weniger bekannt ist, wie sehr die Kultur das Land und seine Bürger bestimmt. Dieses Erbe ist es, das für die Wirtschaft hoffen lässt
VON FRANZISKA AUGSTEIN
Und es begab sich, dass einige deutsche Abenteurer, alt an Erfahrung und reich an Spargroschen, das imposante Land Iran bereisen wollten. Sie wählten sich einen Weisen, sie zu den herrlichen Stätten des Landes zu führen: zu den köstlichen Rosengärten in Shiraz, auf den duftenden Basar von Isfahan, zu den Monumenten der Götterkönige von Persepolis. Damit ihr weiser Reiseführer in München Brot in seinem Kasten habe und bestellen konnte, was für das schöne Unternehmen nötig, sandten seine Schützlinge in guter Frist eine Summe Geldes. Allein, eine Seele zauderte – und damit landet diese sich so fabelhaft anlassende Geschichte auf dem Boden der Tatsachen und bei der Hypo-Vereinsbank.
Bei dieser Bank unterhält der Münchner Reiseveranstalter Frank Lobbes sein Konto. Das ist praktisch, weil er nur über die Straße laufen muss, wenn er seine Filiale besuchen will. Als unpraktisch stellte es sich in diesem Fall heraus, weil eine Mitreisende sich spät zu dem Trip entschloss und ihre Anzahlung erst überwies, nachdem Donald Trump zum Präsidenten gewählt worden war. Unter Betreff gab sie an „Iran“; es handelte sich schließlich um eine touristische Reise nach Iran, das Stichwort schien irgendwie passend. Der Sachbearbeiter der Filiale indes war alarmiert. „Iran“! Und das nachdem der soeben gewählte Präsident Trump den Vertrag über die Einhegung des iranischen Atomprogramms als „das schlechteste Abkommen aller Zeiten“ bezeichnet hatte. Der Sachbearbeiter witterte Gefahr.
Nun entspann sich ein absurder Mailwechsel zwischen ihm und Frank Lobbes, der darin gipfelte, dass der Sachbearbeiter behauptete, eine innerdeutsche Überweisung für eine Reise nach Iran sei wegen des „bestehenden Embargos“ nicht möglich. Das ist natürlich Unsinn. Die Sanktionen gelten für Touristenreisen nicht, und schon gar nicht gelten sie im innerdeutschen Zahlungsverkehr. Die Episode zeigt exemplarisch, wie sehr deutsche Bankangestellte verunsichert sind. Niemand will von Hintertupfing aus seine international agierende Bank in einen Schlamassel ziehen, der womöglich in den USA zu hohen Strafzahlungen führt, wie deren einige schon fällig wurden.
Um von Verunsicherung zu reden: Sie erfüllt auch die Bosse westlicher Banken. Groß war die Freude unter den Geschäftsleuten, als der iranische Präsident Hassan Rohani Anfang 2016 in einem Vertrag mit sechs Regierungen, darunter die der USA, zusicherte, keine Urananreicherung für den Bau von Atombomben zu betreiben. Im Gegenzug wurden viele Sanktionen aufgehoben. Viele, aber eben nicht alle. Denn Iran will von seinen Raketentests nicht lassen; und es unterstützt sowohl die Truppen der Hisbollah als auch die Hamas in Israel. Der Export von Gütern, die zu Waffenteilen umfunktioniert werden könnten, ist deshalb verboten. Verträge, in die Leute verwickelt sind, die zu den iranischen Revolutionsgarden gehören, sind mehr als heikel.
Es dauerte eine Weile, bis westliche Unternehmer, westliche Politiker und die Iraner selbst ganz begriffen hatten, was das bedeutet: Iran ist nach wie vor so gut wie abgeschnitten vom internationalen Bankensystem. Die unter Präsident Trump versteifte Haltung der USA nötigt den Chefs westlicher Banken größte Vorsicht ab. Man möchte denken, die USA hätten ihre Liste aller sanktionierten Individuen, Unternehmen und Geschäfte präzise ausgearbeitet. Dem ist aber nicht so. Es ist sehr schwierig, herauszubekommen, was man machen darf, ohne von den USA belangt zu werden. Am 19. Mai haben die Iraner den Präsidenten Hassan Rohani im Amt bestätigt. Sie wählten ihn, weil er auf die Öffnung des Landes zum Westen hin setzt. Auch bemüht Rohani sich, die Korruption einzudämmen, die im iranischen Bankenwesen mit den Sanktionen aufkam – mangels Überweisungsmöglichkeit sind nicht allein chinesische Geschäftspartner mit Koffern voller Bargeld nach Teheran gereist. Wenn es Rohani nicht gelingt, die Wirtschaft anzukurbeln, wird sein Stern sinken und die Hardliner sind wieder am Ruder.
Nach wie vor steht Iran auf der schwarzen Liste der in Paris ansässigen Financial Action Task Force (FATF), die Staaten daraufhin begutachtet, ob sie Geldwäsche betreiben und Terror finanzieren. Zwar gab die FATF Iran ein Jahr Zeit, sich zu reformieren. Aber angesichts der amerikanischen Haltung finden viele Banken nur eine Lösung: Sie betreiben Zahlungsverkehr mit Iran, geben es aber nicht öffentlich zu. Diesbezügliche Telefonate mit deutschen Banken gingen alle ins Leere. Eine löbliche Ausnahme ist die DZ Bank. Sie versucht, ihren Kunden den Zahlungsverkehr mit Iran zu ermöglichen. Die Pressesprecherin der DZ Bank: Sie redet offen. Jeder Vorgang, sagt sie, und darauf legt sie Wert, werde „mit allergrößter Sorgfalt“ geprüft.
Ob jemand in Iran den Sanktionen unterliegt, kann man unter anderem mithilfe von Datenbanken herausfinden. Das ist kostspielig. Aber es ist machbar. Exportfinanzierungen von Deutschland aus sind derzeit kaum möglich, weil die dafür erforderlichen Hermes-Bürgschaften iranische Staatsgarantien voraussetzen, die derzeit – viele Regierungen sind seltsam, die iranische eben auch – kaum zu bekommen sind.
Unabdingbar ist, dass der Reformer Rohani das bestehende Geldwäschegesetz den internationalen Anforderungen anpasst. Weil Iran mit seiner religiösen Revolution Jahre verloren hat, hinkt man dort der Entwicklung in den Weltorganisationen hinterher. Und klug wäre, wenn Rohani auf seine zum Westen ausgestreckte Hand auch die Information legen würde, die für eine Hermes-Bürgschaft nötig ist. Iran ist ein funktionierender Staat, einer der wenigen in der Region. Wenn Rohani scheitert, wird es schlimm für Iran und für den Westen.