Kon­kur­ren­ten im Kalten Krieg

Eine Ausstellung zeigt die Zeit zwischen 1945 und 1990. Die Ereignisse werfen Schatten bis auf die Gegenwart.

VON FRANZISKA AUGSTEIN

In dem James-Bond-Film „Casino Royal“ stößt M einen herzhaften Seufzer aus: „Gott, ich vermisse den Kalten Krieg!“ Das kann die oberste Geheimdienstdame des MI6 sich nur erlauben, weil sie den Kalten Krieg – wie viele Europäer – als eine austarierte Systemkonkurrenz zwischen Ost und West betrachtet, bei der die Atommächte USA und Sowjetunion sich insofern einig waren, als sie es zum Äußersten nicht kommen lassen wollten.

Tatsächlich hat sich der Kalte Krieg nicht allein auf der Nordhalbkugel der Erde abgespielt. Direkt oder indirekt befeuerte er 150 heiße Kriege in aller Welt, in denen ungefähr 22 Millionen Menschen zu Tode kamen. Angola wurde so flächendeckend vermint, dass weite landwirtschaftliche Flächen bis heute nicht benutzbar sind. Nicaragua hatte im Bürgerkrieg gegen die von den USA unterstützten „Contras“ 30 000 teils grausam hingemeuchelte Tote zu beklagen – und damit im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr als die Vereinigten Staaten seit Ende des 19. Jahrhunderts. Bei Weitem nicht alle der 150 Kriege wurden von den Großmächten angezettelt, indes ergriffen sie Partei, spendeten Geld und Waffen und verlängerten das Morden. Das alles wirft seine Schatten auf die Gegenwart. Man müsse nicht denken, sagt der Historiker Bernd Greiner, „dass mit dem Fall der Mauer Klio sich geschüttelt habe wie ein nasser Hund“.

Das Berliner Kolleg Kalter Krieg, das Bernd Greiner mit Mitteln des Hamburger Instituts für Sozialforschung 2015 begründete, hat zusammen mit der Stiftung Aufarbeitung eine Plakat-Ausstellung konzipiert, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde: Auf 22 Din-A1-Bögen haben Bernd Greiner (Texte) und Ulrich Mählert von der Stiftung Aufarbeitung (Bilder) die weltumspannenden Auswirkungen des Kalten Krieges pointiert zusammengefasst. Ihr Motto: Die Geschichte zu den Leuten bringen. Eine Ausstellung kostet 30 Euro. 1500 Exemplare wurden gedruckt. 800 sind schon verschickt: an Rathäuser, Gedenkstätten, auch die Bundeswehr bestellte die handliche Pappröhre. Es gibt die Ausstellung auf Deutsch, Spanisch, Englisch, Russisch und Französisch.

Im englischsprachigen Raum sind „Cold War Studies“ seit Langem etabliert. Deutschland ist ein Nachzügler. Nach der deutschen Einigung, so Greiner, hätten die Historiker sich halt zunächst mit der heimischen Geschichte befassen müssen. Nun genügt das nicht mehr. Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), der freundlich-süffisant als „Protagonist des Kalten Krieges“ vorgestellt wurde (1973 hat er Flugblätter für den Vietnamkrieg verteilt), war eingeladen, die Ausstellung zu kommentieren. Was ihn angeht, sollte Berlin viel prominenter vorkommen. Auch vermisste er mehr Hinweise auf die moralische Überlegenheit des Westens. Da sprach der Politiker. Unter Historikern ist es indes so gut wie ausgemacht, den Antagonismus zwischen den USA und der Sowjetunion zunächst als Systemkonkurrenz zu behandeln. Den entscheidenden Unterschied beschrieb Mählert: Im Westen konnte man in der Regel unbehindert gegen die Politik des Kalten Krieges demonstrieren, im Osten nicht.

Immerhin eine Errungenschaft zeitigte der Kalte Krieg: die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, die Nachfolgeorganisation ist die OSZE). Über Jahre, sagte Greiner, „wurde aufgebaut, was zentral ist für die Währung jeder internationalen Politik: Vertrauen“. So seien der sowjetische Einmarsch in Afghanistan und auch die Verhängung des Kriegsrechts in Polen glimpflich abgegangen. Nicht von ungefähr, so Greiner, werde heute nach einer OSZE für den asiatischen Raum gerufen, die sich moderierend mit den Interessen Chinas, der USA und anderer Staaten im Südpazifik befassen solle.

Den Nutzen von Verhandlungen räumte auch Diepgen ein: Wegen der Instandhaltung der Glienicker Brücke hatte er sich mit der DDR-Führung „verhakelt“, erzählte er: „Die USA und die Sowjetunion setzten sich zusammen und befahlen dem Berliner Senat, die Brücke zu renovieren.“ Geschmeckt hat das dem damaligen Bürgermeister nicht – „da gab es ja noch Dutzende weitere Brücken“. Er legt Wert auf die Bemerkung, es sei das letzte Mal gewesen, dass er sich von den Alliierten etwas habe sagen lassen.


Aus: Süddeutsche Zeitung (Bayern) vom 10.03.2016 – Seite 6
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